Unendliche Weiten
– Sabi`s View –
1 Uhr Nachts.
Wir warten.
Mal wieder…
Unsere Fähre hat angelegt.
Schon vor einer guten Stunde.
Kurz darauf kam das kasachische Militär an Board.
Eine sehr grimmig dreinblickende, furchteinflößende, stämmige, blonde Frau und ihr Gefolge von jungen kasachischen Männern.
Alle in geschniegelt und gebügelter Uniform.
Als sie unsere Fähre betraten, wurden wir alle erstmal wieder hineingeschickt.
Alle 60 Passagiere, in einem kleinen Raum, in der Mitte der Schiffes.
Und dort warteten wir also nun…
Zusammengedrängt, ohne Frischlust, in einer unerträglichen Hitze…
Und keiner wusste worauf eigentlich.
Kurze Zeit später wurden wir von ihnen vom Schiff ‚geschmissen‘.
Ohne unsere ‚Maschinas‘.
Wieder hieß es warten.
Wir standen dort wie bestellt und nicht abgeholt.
Im wahrsten Sinne…
Denn kurz darauf kam ein Minibus, welcher uns peu à peu ein paar hundert Meter weiter zur Passport Control fuhr.
Uns als Letze.
Immerhin musste Baku ja mit ins Auto.
Als wir an der Kontrolle ankamen, waren schon alle anderen durch.
Nicht das Schlechteste, immerhin konnten sie uns so mitteilen wie wir unsere ‚Migrational Card‘ für die Einreise ausfüllen mussten.
Nachdem unsere Pässe abgestempelt waren, wurden wir getrennt.
Andi musste den Ausgang für die Fahrer nehmen.
Ich ging mit Baku zu seiner ‚Passport Control‘.
Die beschränkte sich allerdings auf einen kurzen Blick in den Ausweis, danach wurden, wie immer und überall, Fotos gemacht und rumgescherzt.
Ein paar Selfies und ein ‚Auf Wiedersehen‘ später waren wir ‚entlassen‘.
Das getrennt werden, an den Grenzen, macht mich jedes mal ein wenig nervös.
Als ‚Passagier‘ dauerte bis jetzt kein Grenzübergang länger als einige Minuten.
Anders als Fahrer mit Auto.
So kann es schon mal sein, dass man 1-3 Stunden auf der anderen Seite wartet.
Ohne zu wissen wo der Andere ist, ob mit dem Auto alles klappt, ob es Probleme mit den Papieren gibt…
Und am allerschlimmsten: Man kann/darf bei dem ganzen Registrierungs- und Versicherungsmist nicht helfen.
Ein echt blödes Gefühl!
Diesmal jedoch war weder Andi, noch ich alleine.
Immerhin hatten wir Vanessa, Mark, Mimi, Nick und Mitch.
Unsere Mit-uns-die-Zeit-Totschlager und Leidensgenossen, unsere neuen Freunde vom Fährhafen in Alat, mit denen wir nun mittlerweile fast eine Woche verbracht hatten.
Eine halbe Stunde später spitzte Baku die Ohren, und mir war klar, Geronimo war im Anflug.
Naja, in Anfahrt.
Den erkennt und hört er nämlich schon aus der Entfernung.
Und tatsächlich, da kam er.
Als Allererster.
Allerdings war der Spuk noch nicht vorbei.
Durch das Tor, welches Andi und Geronimo die Einfahrt nach Kasachstan versperrte, dürften sie noch nicht.
Jetzt war die Registrierung und der Versicherungsabschluß für unser ‚zu Hause auf Rädern’ dran.
Langsam trudelten auch die Anderen mit ihren Autos ein.
Und auch für sie ging der Spießroutenlauf los.
Versicherung beantragen in dem Gebäude rechts, einmal quer über das Gelände laufen um bei der Poststelle zu bezahlen, zurück zum ersten Gebäude, Dokumente herzeigen und noch einmal zurück ins Zweite um den letzten fehlenden Stempel abzuholen.
Wie schon beim Ticketkauf in Alat… organisiert und effizient sieht anders aus. 😀
Das ganze Prozedere dauerte ein paar Stunden.
Bis wir alle durch waren, uns schweren Herzens von unseren Mitreisenden verabschiedet hatten und endlich im Bett lagen war es 4 Uhr irgendwas in der Früh.
Nach einer nicht besonders langen Nacht auf einem Parkplatz am Hafen, hieß es auch von Vanessa und Mark Abschied nehmen, welche wie wir, keine Lust mehr gehabt hatten nach den ‚Strapazen‘ irgendwo großartig hinzufahren.
Für sie ging es weiter nach Usbekistan.
Unser Weg führte uns durch Aktau hindurch, in die kasachische Steppe, welche uns gleich ziemlich flashte!
So viel NICHTS hatten wir auf unserer ganzen Reise noch nicht gesehen.
Und erst jetzt wurde uns so richtig klar: Wir waren in Kasachstan!
Das hatten wir mit den ganzen Fährentrubel irgendwie vergessen. 🙂
Kasachstan.
6,6 Einwohner pro qm auf einer Fläche von 2.725.000 km².
Ein gigantisches Land also bewohnt von nur ca. 18 Mio. Menschen.
Zum Vergleich: Deutschland hat 231,4 Einwohner pro qm und eine Fläche von 357.386 km².
Das heißt, hier gibt es hunderte und aberhunderte von km einfach nichts.
Durch dieses Nichts geht meist nur eine Straße.
Alle 100 km kommt mal ein Dorf.
Alle 500 eine Stadt.
Dem entsprechend sind die Straßen auch wenig befahren.
Das Einzige, was wir die ersten 1000 km ununterbrochen sahen waren Kamele und Pferde.
Ab und zu mal ein Dromedar und Ziegen.
Bei unserem ersten Mittagstop an einem kleinen Rastplatz, ungefähr 200 km hinter Aktau, lernten wir ein junges kasachisches Paar kennen, welches uns ein paar nützliche Tips für unsere Reise durch dieses gigantisch Land gab.
Vor allem in Sachen Straße.
Sie erzählten uns, welche Straßen wir benutzen sollten und welche es auf unserem weiteren Weg zu meiden galt.
So schlechte Straßen anscheinend, dass sogar Einheimischen einen Umweg von 500 km in Kauf nahmen.
Gut zu wissen!
Sie selbst waren auf dem Weg zurück in ihre Heimatstadt Almaty.
Über 4000km entfernt.
Als wir sie fragten wie lange sie dafür bräuchten, sagten sie: 2 1/2 Tage.
Und wir begriffen: km und Entfernungen sind hier relativ 😀
Nachdem sie uns nach Almaty eingeladen und uns mit reichlich Proviant ausgestattet hatten, ging es für alle weiter.
Unsere erste, „wirklich Nacht“ verbrachten wir an einem Wasserloch in der Steppe, an welchem wir Abends und Morgens etliche Kamele, Pferde und Ziegen beobachten konnten.
Die darauf folgenden Tage sahen alle gleich aus.
Wir fuhren durch diese endlose wüstenähnlich Landschaft, auf der einzigen (asphaltierten) Straßen die es dort gibt.
Immer geradeaus.
Eine Fata Morgana jagte die Nächste.
Einer Kurve folgten wieder hunderte km Gerade.
Nachmittags suchten wir uns einen Platz, abseits der Straßen zum Übernachten, wanderten durch das vertrocknete Gras und hatten alle möglichen Begegnungen mit Wildpferden und Kamelen.
Abends beobachteten wir diese fantastischen Sonnenuntergänge, nachts den Sternenhimmel und morgens ging es wieder weiter.
Das ging eine Woche so.
Bis Uralsk.
Dem ersten netten, sympathischen Städtchen welches wir passierten.
Wir beschlossen an einem kleinen See am Rande der Stadt zwei Nächte zu verbringen, um uns, nach der anstrengenden Fahrerei etwas Ruhe zu gönnen.
Mit Ruhe war dort allerdings nicht viel.
Nach ein paar friedlichen Stunden kamen vier Jungs vorbei, welche neugierig um Geronimo herumschlichen und nicht viel später auch drinnen alles aufs Genauste untersuchten.
Alles was sie fanden streckten sie uns unter die Nase und fragten ‚was das sei‘ und wir versuchten es mit Händen und Füßen zu erklären, denn unser russisch beschränkte sich bis jetzt auf ‚Hallo‘, ‚Danke‘ und ‚Brot.‘ 😀
Nachdem sie etwas mit Baku gespielt hatten, verschwanden sie wieder, kamen jedoch kurze Zeit später erneut.
Diesmal mit 5 weiteren Kindern.
So hatten wir plötzlich 9 im Bus, welche auch erst wieder verschwanden, als es langsam dunkel wurden und es Zeit für`s Abendessen war.
Am nächsten Tag, wer hätte es gedacht, kamen sie wieder.
Diesmal noch ein paar mehr.
Sie brachten uns kasachische Limo, Knabberzeug und Burger, welche sie mit ihren Ersparten gekauft hatten und schenkten uns Charlie, einen Teddy.
Sie machten haufenweise Fotos, und folgten uns auch als wir mit Baku Gassi gingen.
Jeder von uns hatte bestimmt 3 Kinder an den Händen.
Der Rest zog und zupfte an unseren Klamotten, und zeigte uns hier ein Blümchen und da einen Frosch.
‚Sabrinaaa‘ hier und ‚Andiii‘ dort….
All die Erwachsenen an denen wir vorbeikamen schmunzelten und lachten.
Mann… so oft wie in diesen zwei Tagen, habe ich meinen Namen wirklich noch nie gehört… 😀
Ja, wir verbachten unsere ‚ruhigen Tage‘ also mit einer Schar Kinder…
Soviel mal wieder zu unseren Plänen…
Von Uralsk aus ging es am darauffolgenden Tag weiter gen Osten.
Die Landschaft wurde etwas grüner.
Die Flüsse und Seen waren nicht mehr alle ausgetrocknet.
Und so konnten Baku und wir, uns auch das ein oder andere mal, ein wenig im kühlen Nass erfrischen.
Immerhin hatte es tagsüber noch bis zu 40 Grad.
Nachts allerdings, begann es von Tag zu Tag kälter zu werden.
So kalt, dass wir irgendwann unser Winterzeug heraus kramten.
Unser Weg führte uns ein ganzes Stück an der russischen Grenze entlang bis wir irgendwann, 2000 km und einmal im Matsch-stecken-bleiben weiter, endlich in Astana, der Hauptstadt Kasachstans und jüngsten Hauptstadt der Welt ankamen.
Dem krassen Gegenteil, von dem was wir bis jetzt von diesem Land gesehen hatten…
Na Ihr Beiden? Fängt die Kinderplanung jetzt an oder hat Euch das abgeschreckt? 😀
Sehr schöne Fotos übrigens
Danke!
Mir persönlich war es etwas zu viel 🙂 Sabi konnte das recht gut managen. Respekt dafür!
Aber ich denke, da lassen wir uns auf jeden Fall noch etwas Zeit…