WINTERDOMIZIL

– Sabi`s View –

Wir waren angekommen.
Angekommen in unserem, naja nennen wir es mal, ‚Winterdomizil‘.
Und es war alles ganz anders als gedacht.

Kennt ihr das, wenn man etwas nur auf Fotos gesehen hat, aber im Kopf schon ein ganz genaues Bild davon entstanden ist, obwohl man ja eigentlich nur Ausschnitte kennt?
Mir ging das so mit unserer Unterkunft.
Wir wussten es ist eine Bio Farm und kannten von Fotos unsere Hütte, das Haupthaus, den Garten und die Tiere und Beete.
Ich hatte mir genau ausmalen können wie alles aussieht.
Wie das Grundstück liegt, wo darauf unser Holzhäuschen steht…
Aber alles war anders.
Und nicht nur weil auf den Bildern alles grün war und blühte.
Es war nicht besser oder schlechter.
Nur eben anders als gedacht.

Die Farm oder eher, das Färmchen, liegt im Herzen, einer für die Gegend typischen Siedlung aus Holzhäusern, inmitten der sibirischen Taiga und Nahe des Baikals.
Weit ab vom Schuss.
Ausser ein kleiner Tante Emma Laden ein paar hundert Meter weiter…
Nichts.
Die meisten Grundstücke sind auf Grund des Winters verlassen.
Wie uns vorab schon erzählt wurde, leben viele der Farmer nur im Sommer hier und überwintern in ihren Wohnungen in der Stadt.
Naja… wenn ich mir’s recht überleg ist es vielleicht doch so, wie ich’s mir vorgestellt hatte. 😀

Auch unsere Gastgeber, Tatjana und Sergej kannten wir von den Fotos.
Barfuß und in traditionell bestickter sibirischer Kleidung standen sie da in ihrem Garten.
Von traditioneller Kleidung allerdings keine Spur, als uns Tatjana auf der Straße herwinkte.
Sie trug eine lässige Jeans, ein kariertes Hemd und hatte eine Jacke übergeschmissen.
‚Hello, hello. Come, come. Park here.‘ schrie sie uns entgegen.

Nachdem wir Geronimo in der Einfahrt, also auf den Platz für seinen temporären Winterschlaf, geparkt hatten, zeigte sie uns unser vorübergehendes, neues Zuhause und lies uns dann erstmal ankommen.
Ankommen bedeutete: den Bus ausräumen.
Also alles das, was wir damals vor unserer Abfahrt tagelang einräumten, wurde nun wieder herausgezogen.
Sogar die 4 Batterien baute Andi heraus.
Denn wir wollten nicht, dass in den 2 Monaten Stillstand irgendetwas wegen der Minusgarde kaputt ging oder wir andauernd ins Auto mussten.

Ja, 8 Wochen würden wir nun hier bleiben.
8 Wochen im Sibirischen Winter verbringen.
Ohne Bewegung.
An einem Fleck.
Und dass war was uns am meisten ‚Angst‘ machte.
Nicht die Temperaturen* oder sonst was.
Denn schon nach 2 1/2 Wochen ohne ‚Fortbewegung‘, damals in Tiflis, wurden wir ganz nervös und hibbelig.
Wollten unbedingt weiter.
Klar, wir hatten vor uns hier so einiges anzuschauen und zu erkunden.
Außerdem gab es eine Menge Arbeit auf unseren Webseiten nachzuholen.
Trotzdem waren wir skeptisch. 😀

* Die extremsten Temperaturen hatten wir bis jetzt Ende Dezember, mit – 38° untertags. Der Januar, welcher eigentlich als kältester Monat ist, zeigt sich bis jetzt eher ‚mild‘, mit – 5° bis -27°. Also alles halb so wild 🙂

An unserem ersten Abend im ‚Aviator 2 Settlement‘, war Banja angesagt.
Genauer, Russisches Dampfbad, welches Tatjana uns unbedingt zeigen wollte und sich im Erdgeschoss der Holzhütte befindet.
Da in Russland normalerweise strikt nach Geschlechtern getrennt wird und Sergei nicht zu Hause war, wollte Tatjana erst mich in die ‚Kunst der Banja’ einweihen, und ich sollte anschließend Andi ‚unterweisen‘.
Neugierig was da wohl auf uns zukommt, googelte ich und erfuhr, dass ähnlich wie in der Finnischen Sauna, in der Banja das sogenannte Quästen üblich ist.
Bedeutet: man schlägt sich gegenseitig leicht mit Bündeln von eingeweichten Birkenzweigen den Körper ab, was erfrischen und die Blutzirkulation anregen soll.
So die Erklärung im Internet dafür.
Ich wusste also bescheid.
Dachte ich jedenfalls.
Denn, schon auf Grund des frostigen Winters, müssen Sibirier wohl echt harte Hunde sein.
Daher fühlte sich das ‚leichte‘ Abschlagen eher nach verdreschen an, was mich anfangs ehrlich gesagt ziemlich erschreckte, die Tatsache, dass ich Andi anschließend alles zeigen durfte aber umso lustiger machte: 😀

Die kommenden Wochen vergingen wie im Flug.
Wir arbeiteten ziemlich viel, fuhren ab und an nach Irkutsk, spazierten über den eingefrorenen Angara, erkundeten den Baikal und für ein bisschen Abwechslung halfen wir Sascha, dem tadschikischem Arbeiter der seit 3 Monaten auf Tatjanas und Sergejs Haus ein weiteres Stockwerk baute.
Denn wer kann schon sagen er hat in Sibirien ein Haus gebaut, richtig!?
Wir bekamen täglich traditionelles Frühstück vorgesetzt, wurden regelmäßig bekocht und lernten sogar ein wenig russisch*.

*Ich weiß zwar nicht ob wir Dinge wie: „Wo ist der Akkuschrauber?“ jemals wieder brauchen können, aber auf Baustellen und mit Handwerkern können wir jetzt ganz prima kommunizieren 😀

Auch Weihnachten und Silvester waren so schnell wieder vorbei, wie sie gekommen waren.
Und trotz, dass wir wirklich jeden Tag etwas zu tun hatten und es absolut keine Zeit gab in der Langeweile hätte aufkommen können, merkten wir ziemlich schnell, dass wir wieder los wollten.
Ja, das Gefühl wurde von Tag zu Tag schlimmer.
Hier ‚festzusitzen‘ und irgendwie wieder in diesen gewohnten, ungeliebten Alltag hineinzufallen, in dem man stundenlang vor dem Computer oder Handy sitzt und sich mit so vielen, semi essentiellen Dingen des Lebens beschäftigt ist… naja, gerade jedenfalls, nicht so unsere Vorstellung des Lebens.

Da fällt mir ein, ich weiß gar nicht ob wir schon erzählt haben warum wir hier eigentlich diese ‚Pause‘ von unserem Trip machen?!
Denn der ein oder andere wird sich jetzt vielleicht denken warum wir nicht einfach weiter fahren…

Grund unseres längeren Stops ist nicht nur, dass wir nach den Problemen mit unseren Standheizungen, ein bisschen was vom Winter unbeschadet hinter uns bringen wollen, sondern es hat auch was mit unserer weiteren Reise bzw. Planung zu tun.
Ja.
Richtig gelesen.
Planung! 😀

Ganz knapp zusammen gefasst: Wir wollen den Pamir Highway befahren.
Die Hauptverkehrsstraße des Pamir-Gebirges in Zentralasien.
Sie ist die einzige Verbindungsstraße durch die osttadschikische Region Berg-Badachschan und nach dem Karakorum Highway, welcher durch China und Pakistan führt, die zweithöchst gelegene befestigte Fernstraße der Welt.
Über eine Entfernung von 1252 Kilometer verbindet er die kirgisische Stadt Osch mit der tadschikischen Hauptstadt Duschanbe.
Höchster Punkt des Highways ist der Ak-Baital-Pass auf 4655 Meter.

Trotz dass der Highway ganzjährig befahren wird, wollen und können wir diese Highlight der Reise nicht im Winter bezwingen.
Schon allein, weil unsere Standheizung bei 2000 m aufhört zu funktionieren und, auch wenn es dort weitaus nicht so kalt ist wie hier in Sibirien, selbst 5 Grad und keine Heizung eher ‚uncool‘ sind. 😀

So sitzen wir also, nicht zuletzt mal wieder wegen unseres Dritschelns in den vergangenen Monaten, noch ein bisschen länger hier ‚fest‘ bevor wir weiter können.
In diesem Winterwunderland.
Allerdings, wird es auf die letzten Tage nochmal richtig spannend.
Denn wir bekommen Besuch aus Deutschland… 🙂

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